Digitalisierung im Einsatzdienst: 23. Fachtagung Führen von Einsatzkräften des Münchner Roten Kreuzes im Klinikum Großhadern
Mehr als 300 Führungskräfte der Hilfsorganisationen trafen sich heute im Klinikum Großhadern zur Fachtagung "Führen von Einsatzkräften" des Münchner Roten Kreuzes. "Digitalisierung im Einsatzdienst - Tools & Ideen zur Einsatzunterstützung" lautete das Motto der 23. Auflage der Veranstaltung.
Nach der pandemiebedingten Absage 2020 und einer reinen Onlinevariante 2021 fand die Veranstaltung heuer erstmals hybrid statt. Trotz einer gewissen Routine führte das zu neuen Herausforderungen für das ehrenamtliche Tagungsteam.
Das Rahmenthema Digitalisierung im Einsatzdienst beleuchteten kompetente Referent*innen aus verschiedenen Perspektiven. Gerade angesichts der aktuellen Situtation mit mehreren sich überschneidenden Krisen haben digitale Lösungen zur Einsatzunterstützung besondere Bedeutung, stehen aber auch als kritische Infrastruktur besonders im Fokus der Aufmerksamkeit.
Den Auftakt machte Elias Holzheimer vom Roten Kreuz in Rhön-Grabfeld. Er stellte eine selbst programmierte App zur Unterstützung des Einsatzleiters Rettungsdienst und seiner Kommunikation mit dem Einsatzleitwagen vor. Die App unterstützt die Erfassung von Rettungsmitteln und Patienten, die Einsatzdokumentation und die Kommunikation mit Kliniken und anderen Einsatzbeteiligten und wurde entlang der Anforderungen der regionalen Einsatzpraxis entwickelt.
Hendrik Roggendorf vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sprach zum sehr aktuellen Thema Warnung der Bevölkerung und gab einen Einblick insbesondere zu aktuellen digitalen Weiterentwicklungen und Lehren aus Erkenntnissen des letzten bundesweiten Warntags. Er hob den Stellenwert von Warnmeldungen bei großen Schadenslagen hervor und empfahl den anwesenden Führungskräften, den Aspekt auch über regelmäßige Übungen in die eigene Routine zu übernehmen. Er gab auch Hinweise zu den sprachlichen Anforderungen von Warnmeldungen und zu den technischen Möglichkeiten verschiedener Warnmedien und -kanäle. Er ging auch auf die neuen Möglichkeiten der Warnung mittels "Cell Broadcasting" auf Mobiltelefonen ein. Diese soll beim bundesweiten Warntag am 8.12.2022 erstmals erprobt werden und dann 2023 regulär in Betrieb gehen.
Andreas Sirtl von der Münchner Berufsfeuerwehr stellte die "Fire-App" vor, die die Branddirektion für den Einsatzführungsdienst einsetzt. Sie ist stark integriert in das Einsatzleitsystem und stellt die dort verfügbaren Informationen zu Einsatzort, Objekt und Lage mobil dar und soll perspektivisch auch den Zugführer*innen der Berufsfeuerwehr sowie den Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr zur Verfügung stehen. Für die Zukunft sind auch die Integration aktueller Bilddaten etwa von Drohnen an Einsatzstellen oder auch die Darstellung einsatzrelevanter Informationen über augmented-reality-Funktionen denkbar.
Sein Kollege Christian Emrich ergänzte mit seinem Vortrag die Digitalisierungsperspektive für die rückwärtige Einsatzführung in Stäben. Unter dem Stichwort "Lagebild 4.0" stellte er die geänderten Anforderungen insbesondere an die Geschwindigkeit und die Menge der zu verarbeitenden Lageinformationen dar. Er ging auch auf die komplexe Vernetzung und Abstimmung verschiedener Akteure von Energieversorgern über Mobilitäsanbieter und Polizei bis hin zu Echtzeitinformationen aus dem Internet ein.
Prof. Karl-Georg Kanz, Ärztlicher Bezirksbeauftragter Rettungsdienst in Oberbayern, stellte die Anwendung Ivena-MANV als Möglichkeit zur digitalen Patientenverteilung auf Kliniken im Großschadensfall vor. Er demonstrierte live die Echtzeitübersicht in den Kliniken und das Zusammenspiel zwischen Leitstellen, Einsatzführungsdienst und Kliniken bei der überregionalen Zuordnung kritischer Patienten über die Plattform.
Anna Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uniklinik der RWTH Aachen, sprach im Anschluss über die Ergebnisse des Forschungsprojekts "FALKE", bei dem die Erfassung der Lage und insbesondere die Sichtung der beteiligten Patienten über digitale Sensoren aus der Luft im Mittelpunkt steht. Dafür wird ein Flugobjekt eingesetzt, das parallel zu den Einsatzkräften autonom Einsatzstellen anfliegen, Patienten erfassen und über die eingesetzten Sensoren ihren Zustand beurteilen kann, unterstützt durch die Einschätzung eines Tele-Notarztes auf Basis der übermittelten Informationen.
Abgerundet wurde die Fachtagung durch zwei Einsatzberichte. Klemens Reindl vom Roten Kreuz in Garmisch-Partenkirchen berichtete aus der Rolle als Einsatzleiter vom schweren Zugunglück in Burgrain bei Garmisch am 3.6.2022. Er ging dabei auf organisatorische und technische Herausforderungen sowie auf besondere Rahmenbedingungen ein, die den Einsatzerfolg günstig beeinflusst haben. Den Abschluss machte schließlich Carsten Spies von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz, der über die Erfahrungen und Grenzen des Digitalfunkeinsatzes bei der Flutkatastrophe 2021 referierte.
Die Fachtagung dient der Fortbildung von beruflichen und ehrenamtlichen Führungskräften der Hilfsorganisationen aus ganz Bayern. Die Veranstaltung wird von einem ehrenamtlichen Team des Münchner Roten Kreuzes organisiert. Was 1999 als interne Führungskräftefortbildung begann, findet 2022 bereits zum 23. Mal und mit deutlich überregionaler Teilnehmerschaft statt. Dadurch gewinnen auch der Vernetzungsaspekt und die begleitende Fachausstellung immer mehr an Bedeutung, gerade nach der pandemiebedingten Pause.
„Ich bin begeistert, wie routiniert und professionell unser Tagungsteam die Fachtagung vorbereitet und durchführt“, sagt Lucretia Löscher, stellvertretende Vorsitzende des Münchner Roten Kreuzes, die die Veranstaltung mit ihrem Grußwort eröffnete. „Danke an alle, die die Veranstaltung möglich und erfolgreich machen. Das sind neben unserem Tagungsleiter Volker Ruland und seinem Team sowie den Referent*innen vor allem die Fachaussteller, die einen wichtigen finanziellen Beitrag leisten und natürlich die Teilnehmer*innen, die mit ihrer Nachfrage das Team immer wieder anspornen. Ein besonderer Dank gilt heuer auch der Keksfabrik, die uns einen Großteil der Videotechnik kostenfrei zur Verfügung gestellt hat.“